Der Erfolg von schnell wachsenden Unternehmen bedeutet ein Verlust an Flexibilität
Stellen wir uns vor: Ein schnell wachsendes erfolgreiches Unternehmen. Ein gutes, innovatives Produkt, das schnell den Weg zum Kunden findet. Der Umsatz wächst schnell, die Zahl der Mitarbeiter auch. Aus dem „jeder kennt jeden“ wird rasch ein „man sieht und spricht sich kaum noch“ – aus einer kleinen flexiblen Organisation erwächst ein Unternehmen mit immer mehr bürokratischen Abläufen und einer hierarchischen Struktur. Irgendwann geht diese Phase zu Ende, ruhigere Fahrwasser werden erreicht. Konsolidierungsprozesse werden begonnen. Strukturen und Prozesse werden überdacht und standardisiert, die operative, sich selbst überholende Hektik abgelöst von strategischer Planung und langfristiger Erfolgssicherung.
Langfristige Erfolgssicherung durch Investition in die Führungskultur
Erfahrungen aus dem Changemanagement und dem Projektmanagement zeigen, dass Veränderungsvorhaben selten an zu wenig Fachexpertise der Beteiligten scheitern, sondern vielmehr an mental-kulutrellen Problemen. Das zeigt, wie wichtig es ist, Investitionen in strukturelle Veränderungen mit einer Stärkung der Führungskultur zu untermauern. Schnell wachsende Unternehmen handeln immer wieder nach dem Muster, die erfolgreichsten Mitarbeiter zu Führungskräften zu machen. Das führt dazu, dass das Rollenverständnis der Führungskräfte eher fachlich orientiert ist. Gesamtunternehmerische Orientierung und Mitarbeiterführung, die in einer Phase des Wachsens meist zu kurz kommen, sind aber für den langfristigen Erfolg unabdingbar. In Krisenzeiten, in denen der Erfolg ausbleibt oder gar schrumpft, sind zwei Aspekte überlebenswichtig:
- Die guten Mitarbeiter und Führungskräfte bleiben nur in dem Unternehmen, in dem das Organisationsklima weiterhin gut ist – das gelingt in kritischen Phasen nur, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter eine gute Kommunikationskultur haben.
- Führungskräfte können Risiken und Probleme am besten bewältigen, wenn sie sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifizieren, sich also nicht bloß als Umsetzer der Unternehmensführung fühlen, sondern als Mitgestalter.
Wie stärkt man die Führungskultur?
Wenn man eine Badewanne besitzt ist das „Zivilisation“ – „Kultur“ ist, wenn man sie auch gebraucht. Dieser Spruch macht deutlich, dass Leitbilder und Führungsgrundsätze in Unternehmen zunächst nur ein Instrument sein können, um das tatsächliche Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern zum Thema zu machen. Es gibt zahlreiche Stimmen in der Managementliteratur, die sagen, man könne auf die Unternehmenskultur keinen oder nur sehr wenig Einfluss nehmen. Leitbilder seien dafür am wenigsten geeignet. Diese Kritik, beschreibt sicherlich zahlreiche Prozesse, in denen die Meinung vertreten wurde mit dem Aufstellen der Badewanne sei es schon getan.
Leitbilder und Führungsgrundsätze bieten einen guten Anlass, um über das erwünschte Verhalten miteinander zu kommunizieren. Denn eins ist klar – verordnen lässt sich eine neue Führungskultur nicht.
Drei Schritte auf dem Weg zu einer starken Führungskultur
Schritt 1: Ein gemeinsames Führungsverständnis
Der erste Schritt muss sein, die Haltung und Einsicht in ein verändertes Verhalten zu erzeugen, sich also einem gemeinsamen Verständnis der erwünschten Führungskultur zu nähern. Das geschieht am effektivsten in großen und kleinen Runden, an denen Mitarbeiter und Führungskräfte ihre Sichtweisen mit der Unternehmensleitung diskutieren. Die Führungsqualität sollte allerdings kein Saisonthema sein – sie sollte, wie die Produktqualität auch – systematisch und immer wieder thematisiert werden. Wenn hier also 3 Schritte vorgestellt werden, dann sind diese eher als mögliche Stationen in einem Regelkreislauf zu verstehen. Die Diskussion über die Führungsqualität ist dann das kontinuierliche Überprüfen und Optimieren der erwünschten Kultur.
Schritt 2: Führungshandeln üben
Wenn es bei Schritt 1 bleibt, besteht eine hohe Gefahr, dass es bei guten Vorsätzen bleibt. Viele Führungskräfte – gerade diejenigen, die als beste Experten zu Führungskräften geworden sind – haben das Fach „Führung“ nie gelernt. Damit das Motto „Es gibt nicht gutes, es sei denn man tut es!“ jedoch seine Gültigkeit behält, sind Trainings notwendig, in denen Führungskräfte neue Handlungsmuster erproben können.
Schritt 3: Führung erleben und deren Qualität messen
Auch Schritt 2 bleibt letztlich erfolglos, wenn nicht Unternehmensleitung und Mitarbeiter – sozusagen die Kunden der Führungskräfte – bemerken, dass Führungskräfte anders führen. Anders heißt nicht immer angenehmer.
Einige Beispiele:
- Der Mitarbeiter, der bislang tun und lassen konnte was er wollte, weil seine Führungskraft damit beschäftigt war, selbst operativen Aufgaben nachzugehen, wird es jetzt vielleicht als lästig empfinden, wenn die Führungskraft mit dem Mitarbeiter bestimmte Ziele vereinbart und in Einzelgesprächen Rückmeldung auf die Arbeitsleistung und das Verhalten des Mitarbeiters gibt.
- Teams werden eher irritiert sein, wenn die Führungskraft das „Leben des Leitbilds“ bei den Mitarbeitern einfordert, denn hier werden die lang gepflegten informellen Funktionsweisen eines Teams in Frage gestellt.
- Der Geschäftsführer wird sich durchaus auch auf die Füße getreten fühlen, wenn auch er kritisches Feedback von seinen Führungskräften in Bezug auf sein Führungsverhalten erhält.
Kommen jedoch solche Situationen nicht vor, ist Führung in ihrer „neuen“ Form nicht erlebbar.
Instrumente, die hier helfen, sind beispielsweise
- Strukturierte Feedbackgespräche: In Gesprächen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter wird die Führungsqualität besprochen und bewertet.
- Führungsfeedbackbögen: Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte und/oder Kunden werden mittels Fragebögen nach der Qualität des Führungsverhaltens einer Person gefragt. Die bewertete Person erhält ihr individuelles Ergebnis und bespricht dies mit einem Coach.
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- Managementaudit: Führungskräfte nehmen an einem mehrstufigen Verfahren (z.B. schriftliches Tests, Assessment-Center, Assessment on the Job) teil, in dem ihre Führungsperformance auf dem Prüfstand steht. Das Ergebnis gibt der Unternehmensleitung einen Überblick über die Potenziale der Führungsmannschaft. Jeder einzelne erhält eine Förderempfehlung.
Diese Instrumente können einzeln oder aber auch in Kombination eingesetzt werden.
Von Tilo Erlenbusch